Skip to main content

2007 - Kleintierzuchtverein AG

28. April bis zum 23. Juni 2007

Osthessen-News >>

Am Eingang hängen zwei kupferne Tauben am seidenen Faden und schweben langsam durch die Lüfte. Dahinter prangt an dunkelgrüner Tafelwand eine idyllisch anmutende Landschaft im goldenen Rahmen, bekrönt von einer Trophäe und umgeben von den Zeichen des Kampfes. Einen Raum weiter finden sich bewegende Szenen oder Fragmente eines Daseins hinter Gittern, die tief hinter so genannte „heile Welten“ blicken lassen.

„Kleintierzuchtverein AG“ lautet der Titel dieser Sonderausstellung der Red Corridor Gallery, die gegenwärtig in der Löherstraße 19 in Fulda zu sehen ist. Präsentiert werden hier die Werke der Künstlergruppe Red Corridor und ihrer Mitglieder Rudi Neuland, Joanna Skurska und Leszek Skurski, die sich zusammen mit den Künstlern Nadine Röther, Tatiana Urban, Veronika Zyzik und Alexander Zyzik dem Thema „Kleintierzuchtverein“ als einer Art Metapher gewidmet haben. Mit verschiedenen künstlerischen Medien von der Malerei und Fotografie über die Skulptur bis hin zur Installation zeigen sie ihre individuellen künstlerischen Positionen rund um den Gegenstand oder seinen Käfig: Mal schockierend oder behutsam, mal direkt und anspielungsreich, mal sinnlich oder bedrohlich, mal abstrakt oder gegenständlich. Vieles wird in ihren Werken an- oder ausgesprochen, aufgedeckt oder verborgen, und vieles wird darüber hinaus hinterfragt: „Ist das, was wir tagtäglich sehen und erleben eine gefilterte Realität, die wir so als bare Münze hinzunehmen haben?“, lautet eine der Fragen, die sich die Künstler stellen, oder: „Gibt es eine Parallele zu den lieben kleinen Tieren, die liebevoll gezüchtet werden, um am Ende auf dem Tisch zu landen? Befinden wir uns in einem Käfig der Beliebigkeiten, in dem wir das Gefühl haben, alles sei geregelt, geordnet und verordnet, um am Ende festzustellen, das ist ein Riesentrugschluss?“ In diesem übertragenen Sinne geht es in der Ausstellung keinesfalls um Kleintierzuchtvereine an sich, sondern vielmehr um die Gesellschaft und ihre Zwänge, um Zucht und Ordnung, um soziales Unrecht, Macht oder deren Missbrauch und vieles mehr.

Wenn der Künstler Rudi Neuland sechs Hasenställe in das Zentrum seiner Arbeit stellt, dann füllt er sie an mit Inhalten und Fragen unter anderem zur Arbeitslosigkeit, zur Religion und Armut oder zur modernen Erziehung. Wenn er um sie herum Szenen eines Lebens hinter Gittern hängt, Fabelwesen auf Podeste stellt oder Folterungen auf die Leinwände bringt, dann zeigt er darin viel Fragmentarisches und Zusammengesetztes, viel Gefedertes, Aufgespießtes oder Verbranntes und vieles, das sich mit fremden Federn schmückt: Nicht nur Hasenfüße und Despoten, sondern auch Folterhasen oder Prada-Schuhe treten hier in Erscheinung als Sinnbilder für das soziale Unrecht oder weltweite Verbrechen.
Mit Zucht und Ordnung, mit Sicherheit, Lügen und Manipulation setzt sich der Maler Leszek Skurski in seinen Bildern auseinander. Auf einer monumentalen Tafel erscheint an zentraler Stelle eine in Gold gerahmte Landschaft, die deutlich an vergangene Traditionen anknüpft und doch bei näherer Betrachtung etwas Überraschendes, etwas Unerwartetes bietet. Daneben überwacht eine Kamera zur „Sicherheit“ den Lebensraum eines kleinen Wesens, während auf der anderen Seite eine dichtgedrängte Gruppe Jugendlicher in ihrer Uniformität auf gewisse Zwänge oder Gefahren verweist. Und dies vor allem angesichts des rot ummalten Diktators, der gleich zwei Dürer-Hasen und die Aufforderung „Finde dein richtiges Hobby“ trägt.
Bei Joanna Skurska ist es unter anderem die Züchtung von Schönheit und ihre Folgen, aber auch die Wahrheit hinter dem äußeren Schein, die auf verschiedenen Ebenen in Bildern und Objekten zum Ausdruck kommt. So erscheint hier die Taube, das Symbol des Friedens und der Liebe, mit einem drahtigen, gitterartigen Körper oder als Schatten ihrer selbst auf einer Bilderserie, die verschiedene Flugmomente einfängt, während sich am Boden die Kehrseite ihrer Anwesenheit in deutlichen Spuren sammelt.
Im Zentrum des Werkes von Nadine Röther steht der Hase, genauer gesagt, der Kampfhase: Ein sehr kontrastreiches oder widersprüchliches Wesen, das hier aus kleinen Holzstücken zusammengesetzt und mit Tackern übersät gleich mehrfach in Erscheinung tritt: Einmal in aufrechter Position, dann am Boden liegend und schließlich als Trophäe an die Wand gehängt.
Einen anderen Blickwinkel zum Thema Kleintierzucht wählt der Maler Alexander Zyzik, der das blutrote Schlachtgetümmel eines Hahnenkampfes darstellt und den goldenen Sieg im Taubenschießen thematisiert. Demgegenüber verweist Veronika Zyzik in ihren Tierstudien und dem Taubenbild auf etwas Kostbares und Behutsames, während Tatiana Urban in reduzierter Farbigkeit zwei in Schutzanzüge gehüllte Männer vor verschlossenen Fächern zeigt.

Wie in den letzten Sonderschauen der Red Corridor Gallery, „August B.“, „Stattmesse“ oder „Porträt“, so setzt sich die Künstlergruppe auch diesmal wieder kritisch mit ihrem Thema auseinander und präsentiert verschiedene künstlerische Positionen in einer Art Gesamtkunstwerk. Dies gilt auch für die nächste Ausstellung mit dem Titel „Sommernachtsphantasien“, die vom 30. Juni bis 13. Oktober 2007 in den Räumen der Galerie zu sehen sein wird.
Daneben plant die Künstlergruppe zwei größere Projekte zu dem Thema „Arbeit und Kunst“, die sich der „Kunst und Unternehmenskultur“ sowie den „Langzeit-Arbeitslosen und der Kunst“ u. a. in Studien, Workshops und Ausstellungen widmen werden.